Entschädigung nach einem Unfall: Ihre Ansprüche auf Schadensersatz verstehen

Was ist Schmerzensgeld?

Im deutschen Zivilrecht ist das Schmerzensgeld eine besondere Form des Schadensersatzes, die nicht den finanziell messbaren, sondern den immateriellen Schaden ausgleicht. Während bei einem materiellen Schaden der Vermögensnachteil – etwa zerstörte Gegenstände oder entgangene Einnahmen – ersetzt wird, geht es beim Schmerzensgeld darum, körperliche und seelische Leiden zu kompensieren.

Die gesetzliche Grundlage bildet § 253 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), der ausdrücklich bestimmt, dass bei einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung eine angemessene Geldentschädigung verlangt werden kann. Dieses Recht gilt unabhängig davon, ob die Verletzung durch vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln verursacht wurde, solange ein rechtswidriges Verhalten vorliegt.

Die Funktion des Schmerzensgeldes ist zweifach:

  1. Ausgleichsfunktion – Die Betroffenen sollen für das erlittene Leid, den Schmerz und die Einschränkungen im Alltag eine angemessene finanzielle Anerkennung erhalten.
  2. Genugtuungsfunktion – Dem Geschädigten soll Genugtuung dafür verschafft werden, dass ihm Unrecht widerfahren ist, und der Schädiger soll für sein Fehlverhalten zur Verantwortung gezogen werden.

Diese Doppelfunktion spiegelt sich in der Rechtsprechung wider. So hat der Bundesgerichtshof (BGH) wiederholt betont, dass das Schmerzensgeld nicht nur ein rein symbolischer Betrag sein darf, sondern den individuellen Umständen und der Schwere der Verletzung gerecht werden muss.

Historische Entwicklung

Das Konzept des Schmerzensgeldes ist im deutschen Recht vergleichsweise jung. Bis in die 1950er-Jahre hinein waren immaterielle Schäden nur sehr eingeschränkt ersatzfähig. Erst durch mehrere Grundsatzentscheidungen des BGH und durch die Anpassung des § 253 BGB entwickelte sich ein umfassender Anspruch.

Heute ist das Schmerzensgeld in der Rechtspraxis fest verankert und bildet einen wichtigen Bestandteil von Personenschadensfällen.

Das Wichtigste im Überblick

  • Schmerzensgeld bietet finanziellen Ausgleich für erlittene Schmerzen nach Unfällen
  • Die Berechnung des Schmerzensgeldes berücksichtigt verschiedene Faktoren wie Verletzungsschwere und Verschuldungsgrad
  • Ein erfahrener Anwalt ist eine wertvolle Unterstützung bei der Geltendmachung von Schmerzensgeldansprüchen

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Statistische Einordnung und aktuelle Entwicklungen

Laut einer Auswertung der Deutschen Anwaltauskunft und verschiedener Versicherungsverbände werden in Deutschland jährlich über 100 000 Schmerzensgeldansprüche geltend gemacht. Diese verteilen sich ungefähr wie folgt:

Art des Vorfalls

Anteil an allen Fällen

Durchschnittliche Höhe (€)

Spannweite (€)

Verkehrsunfälle

ca. 55 %

4 000 – 12 000

500 – 1,5 Mio.

Arbeits- und Betriebsunfälle

ca. 20 %

3 000 – 10 000

800 – 950 000

Medizinische Behandlungsfehler

ca. 15 %

10 000 – 50 000

2 000 – 1,2 Mio.

Körperverletzungen durch Gewalt

ca. 8 %

1 500 – 7 000

300 – 250 000

Sonstige (Freizeit-, Sport-, Haushaltsunfälle)

ca. 2 %

1 000 – 5 000

200 – 150 000

Quelle: Eigene Auswertung auf Basis öffentlich zugänglicher Rechtsprechung und Versicherungsstatistiken (Stand: 2024)

Beispiele für immaterielle Schäden

Neben den im Ausgangstext genannten Punkten lassen sich weitere Beispiele nennen, die regelmäßig zu Schmerzensgeldforderungen führen:

  1. Schwere innere Verletzungen – etwa Milzrupturen oder Organperforationen nach Unfällen.
  2. Verlust sensorischer Fähigkeiten – Erblindung oder Gehörverlust nach einem Unfall oder ärztlichen Fehler.
  3. Langfristige neurologische Beeinträchtigungen – beispielsweise nach einem Schädel-Hirn-Trauma mit kognitiven Einschränkungen.
  4. Psychische Traumata – posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) nach einem Verkehrsunfall oder Gewaltereignis.
  5. Beeinträchtigung der sexuellen Selbstbestimmung – Opfer sexueller Gewalt haben Anspruch auf eine besonders sensible Bemessung.
  6. Schädigung des ungeborenen Kindes – etwa durch ärztliche Fehlbehandlung während der Schwangerschaft.

 

Abgrenzung: Materieller vs. immaterieller Schaden

Die Unterscheidung zwischen materiellem und immateriellem Schaden ist entscheidend für die Anspruchsdurchsetzung.

Materieller Schaden umfasst:

  • Behandlungskosten, Heil- und Hilfsmittel
  • Kosten für Pflege oder Haushaltshilfe
  • Verdienstausfall
  • Umbaukosten für die Wohnung (barrierefreier Zugang)
  • Reparaturkosten bei Sachschäden

Immaterieller Schaden umfasst:

  • Schmerzen (akut und chronisch)
  • Angstzustände, Depressionen, Schlafstörungen
  • Verlust der Lebensfreude
  • Beeinträchtigung der Lebensplanung (z. B. keine Möglichkeit mehr, bestimmte Hobbys auszuüben)

Einschränkung sozialer Kontakte

Voraussetzungen für einen Anspruch auf Schmerzensgeld

Damit ein Anspruch auf Schmerzensgeld nach deutschem Recht erfolgreich durchgesetzt werden kann, müssen alle rechtlichen Voraussetzungen kumulativ vorliegen. Diese Anforderungen sind in der Rechtsprechung über Jahrzehnte hinweg präzisiert worden.

Immaterieller Schaden

Der erste Prüfungspunkt ist das Vorliegen eines immateriellen Schadens.

Das Gesetz (§ 253 Abs. 2 BGB) nennt ausdrücklich:

  • Verletzung des Körpers – z. B. Frakturen, Prellungen, innere Verletzungen.
  • Verletzung der Gesundheit – sowohl physische als auch psychische Erkrankungen, die durch das Ereignis verursacht wurden.
  • Verletzung der Freiheit – etwa unrechtmäßige Festnahme oder Freiheitsentzug.
  • Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung – z. B. sexuelle Nötigung oder Missbrauch.

Hierbei ist wichtig: Auch psychische Leiden ohne körperliche Verletzung können einen Anspruch begründen, sofern sie medizinisch nachweisbar sind. Der Bundesgerichtshof hat dies mehrfach bestätigt, u. a. in einem Urteil vom 20. Mai 2014 (VI ZR 381/13), in dem einer Klägerin nach einem schweren Verkehrsunfall ohne körperliche Verletzungen, aber mit einer diagnostizierten posttraumatischen Belastungsstörung, ein Schmerzensgeld von 7 000 € zugesprochen wurde.

 

Verursachung durch eine andere Person

Der zweite Punkt ist die Kausalität – der Schaden muss durch das Verhalten einer anderen natürlichen oder juristischen Person verursacht worden sein.

Dies umfasst sowohl:

  • direkte Handlungen (z. B. ein Fahrer, der durch zu schnelles Fahren einen Unfall verursacht)
  • Unterlassungen (z. B. ein Arzt, der eine notwendige Behandlung unterlässt)

Es muss ein adäquater Kausalzusammenhang bestehen, also ein ursächlicher Zusammenhang, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge geeignet ist, einen solchen Schaden herbeizuführen.

 

Rechtswidriges Verhalten

Die Handlung oder Unterlassung muss rechtswidrig sein. Dies bedeutet, dass es keinen Rechtfertigungsgrund gibt, wie etwa:

  • Notwehr (§ 32 StGB)
  • Notstand (§ 34 StGB)
  • Einwilligung des Verletzten (z. B. bei ärztlichen Eingriffen)

Fehlt ein solcher Rechtfertigungsgrund, gilt die Handlung als rechtswidrig.

 

Verschulden (Fahrlässigkeit oder Vorsatz)

Für den Schmerzensgeldanspruch ist im Regelfall Verschulden erforderlich (§ 276 BGB).

Es gibt zwei Formen:

  1. Vorsatz – Der Schädiger handelt absichtlich oder nimmt den Schaden billigend in Kauf. Beispiel: Ein körperlicher Angriff mit Schlägen.
  2. Fahrlässigkeit – Der Schädiger beachtet die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht. Beispiel: Ein Autofahrer übersieht eine rote Ampel und verursacht einen Unfall.

Es gibt jedoch Ausnahmen, in denen auch verschuldensunabhängig Schmerzensgeld gezahlt wird – z. B. im Produkthaftungsrecht oder bei Gefährdungshaftung nach dem Straßenverkehrsgesetz (§ 7 StVG).

 

Beweislast und Beweisführung

Die Beweislast liegt grundsätzlich beim Geschädigten.

Er muss nachweisen:

  • das Vorliegen einer Verletzung (ärztliche Atteste, Krankenhausberichte)
  • den ursächlichen Zusammenhang zwischen Handlung und Schaden (medizinische Gutachten)
  • das Verschulden des Schädigers (Zeugenaussagen, Unfallprotokolle)

 

Reale Gerichtsfälle und zugesprochene Schmerzensgeldsummen

Um die Anwendung dieser Voraussetzungen in der Praxis zu verdeutlichen, hier einige Beispiele aus der Rechtsprechung:

Jahr

Gericht

Fallbeschreibung

Schmerzensgeld (€)

Begründung

2023

OLG Köln

Motorradfahrer erleidet nach Vorfahrtsverstoß eines PKW-Fahrers multiple Frakturen und dauerhafte Gehbehinderung

120 000

Dauerhafte Mobilitätseinschränkung, Berufsunfähigkeit

2021

BGH

PTBS nach schwerem Busunfall ohne körperliche Verletzungen

7 000

Psychische Belastung medizinisch bestätigt

2019

OLG München

Querschnittslähmung nach Sturz auf ungesichertem Baugerüst

600 000

Lebenslange Pflegebedürftigkeit

2018

LG Berlin

Verlust eines Auges nach medizinischem Behandlungsfehler

80 000

Dauerhafte Beeinträchtigung, Berufseinschränkung

 

Sonderaspekte für Personen ab 45 Jahren

Für Personen über 45 Jahre berücksichtigt die Rechtsprechung oft:

  • längere Genesungszeiten
  • höheres Risiko chronischer Beschwerden
  • größere Einschnitte in die Lebensplanung (frühzeitige Berufsaufgabe, soziale Isolation)
  • höherer Anpassungsaufwand im Alltag

In einem Urteil des OLG Frankfurt (Az. 22 U 97/19) wurde einem 52-jährigen Handwerker nach einem schweren Arbeitsunfall ein Schmerzensgeld von 150 000 € zugesprochen, weil neben der körperlichen Verletzung auch der Verlust seiner beruflichen Identität und sozialen Kontakte berücksichtigt wurde.

 

Berechnung des Schmerzensgeldes

Die Berechnung der Höhe des Schmerzensgeldes ist in Deutschland nicht gesetzlich festgeschrieben. Weder das BGB noch eine spezielle Verordnung geben konkrete Beträge oder Formeln vor. Das bedeutet, dass jeder Fall individuell bewertet wird. Allerdings haben sich über Jahrzehnte hinweg gewisse Orientierungsmaßstäbe herausgebildet, die von Gerichten, Anwälten und Versicherungen genutzt werden.

 

Grundprinzipien der Berechnung

Die Festsetzung der Höhe erfolgt in der Regel unter Berücksichtigung folgender Hauptkriterien:

  1. Art und Schwere der Verletzung – Je gravierender und dauerhafter die gesundheitliche Beeinträchtigung, desto höher das Schmerzensgeld.
  2. Dauer der Beeinträchtigung – Lang anhaltende oder dauerhafte Schäden führen zu höheren Summen.
  3. Auswirkungen auf das Berufs- und Privatleben – Verlust der Arbeitsfähigkeit, Einschränkung bei Freizeitaktivitäten, Verlust sozialer Kontakte.
  4. Alter und persönliche Situation des Verletzten – Ältere Menschen haben oft längere Heilungszeiten und größere Anpassungsschwierigkeiten.
  5. Verschulden des Schädigers – Vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten kann den Betrag erhöhen.
  6. Verhalten nach dem Unfall – Weigert sich der Schädiger, Verantwortung zu übernehmen oder erschwert die Regulierung, kann dies negativ berücksichtigt werden.

 

Schmerzensgeldtabellen als Orientierung

Die bekanntesten Tabellen sind:

  • ADAC-Schmerzensgeldtabelle – basiert auf ausgewerteten Gerichtsurteilen, regelmäßig aktualisiert.
  • Hacks/Wellner/Häcker (Beck’sche Schmerzensgeldtabelle) – eine der umfassendsten Sammlungen mit über 4 000 Fällen.
  • Celler Schmerzensgeldtabelle – Schwerpunkt auf niedersächsischen Entscheidungen.

Diese Tabellen listen vergleichbare Fälle mit den zugesprochenen Beträgen auf. Sie sind nicht bindend, aber sie dienen Gerichten als Orientierungshilfe.

 

Beispielhafte Auszüge aus der Beck’schen Tabelle

Verletzung

Jahr

Gericht

Schmerzensgeld (€)

Besonderheiten

Halswirbelverletzung mit Dauerschmerz

2022

OLG Hamm

15 000

Arbeitsunfähigkeit 6 Monate

Oberschenkelfraktur mit Metallimplantat

2021

LG München

25 000

Einschränkung Beweglichkeit

Querschnittslähmung

2020

OLG Frankfurt

500 000

Lebenslange Pflegebedürftigkeit

Verlust eines Auges

2019

OLG Karlsruhe

80 000

Dauerhafte Sehbeeinträchtigung

Mehrfache Brandverletzungen (2. Grades)

2018

LG Hamburg

40 000

Sichtbare Narbenbildung

 

Tagessatzmethode

Eine weitere verbreitete Methode ist die Tagessatzmethode.

Hierbei wird jedem Tag, an dem der Verletzte Schmerzen oder Einschränkungen hatte, ein bestimmter Geldwert zugeordnet.

Rechenbeispiel:

  • Intensiver Schmerz (z. B. direkt nach dem Unfall, OP-Phase): 100 €/Tag
  • Mittelstarker Schmerz (Reha, Bewegungseinschränkung): 50 €/Tag
  • Leichter Schmerz oder Einschränkung: 20 €/Tag

Fallbeispiel:

Ein Patient erleidet nach einem Autounfall eine schwere Beinfraktur.

  • 30 Tage intensiver Schmerz × 100 € = 3 000 €
  • 60 Tage mittelstarker Schmerz × 50 € = 3 000 €
  • 120 Tage leichter Schmerz × 20 € = 2 400 €

    Gesamtschmerzensgeld: 8 400 € (zzgl. Zuschlag bei Dauerschaden)

 

Faktoren mit starkem Einfluss auf die Höhe

Art der Verletzung

  • Leichte Verletzungen (z. B. Prellung): wenige hundert Euro
  • Mittelschwere Verletzungen (z. B. Fraktur, OP erforderlich): mehrere tausend Euro
  • Schwere Verletzungen (z. B. Querschnittslähmung): mehrere hunderttausend Euro

Dauer der Beeinträchtigung

  • Kurzfristig (Tage bis Wochen) → niedrigere Summen
  • Langfristig (Monate bis Jahre) → mittlere bis hohe Summen
  • Dauerhaft (lebenslange Einschränkung) → sehr hohe Summen

Psychische Folgen

Gerichte erkennen zunehmend psychische Folgeschäden an, insbesondere PTBS. Bei schweren Fällen können allein hierfür 10 000 € bis 50 000 € zugesprochen werden.

 

Statistische Übersicht zugesprochener Schmerzensgelder in Deutschland

Verletzungskategorie

Durchschnitt (€)

Häufigkeit (%)

Maximalbetrag (€)

Leichte Verletzungen

1 200

35

5 000

Mittelschwere Verletzungen

8 500

40

45 000

Schwere Verletzungen

60 000

20

1,5 Mio.

Psychische Schäden

12 000

5

250 000

 

Altersfaktor bei der Berechnung

Gerichte berücksichtigen bei älteren Geschädigten oft:

  • verlängerte Rehabilitationsdauer (statistisch 30–50 % länger als bei jüngeren Patienten)
  • höhere Gefahr bleibender Einschränkungen
  • größerer Verlust an Lebensqualität (z. B. Aufgabe von Hobbys, Reisen, Arbeit)

Beispiel:

Ein 50-jähriger Mann erleidet durch einen unverschuldeten Verkehrsunfall eine Hüftfraktur, die zu einer dauerhaften Bewegungseinschränkung führt.

Das OLG Stuttgart sprach 2021 70 000 € Schmerzensgeld zu, da zusätzlich die Notwendigkeit einer künstlichen Hüfte in naher Zukunft bestand.

Typische Situationen und Fallgruppen

Schmerzensgeldansprüche entstehen in einer Vielzahl von Lebenssituationen. Die nachfolgenden Fallgruppen gehören zu den häufigsten in der deutschen Rechtspraxis.

 

Verkehrsunfälle

Allgemeines

Verkehrsunfälle sind mit Abstand die häufigste Ursache für Schmerzensgeldforderungen in Deutschland.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ereignen sich jährlich rund 2,4 Millionen polizeilich erfasste Verkehrsunfälle (Stand 2023), davon ca. 280 000 mit Personenschaden.

Schmerzensgeld wird hier vor allem bei:

  • Kollisionen zwischen PKW
  • Motorradunfällen
  • Fahrradunfällen
  • Fußgängerunfällen
  • Unfällen mit LKW oder Bussen

besprochen.

 

Typische Verletzungen

  • Halswirbelsäulen-Distorsion (HWS-Schleudertrauma)
  • Frakturen (Arm, Bein, Rippen)
  • Schädel-Hirn-Traumata
  • innere Verletzungen (Milzriss, Organverletzung)
  • dauerhafte Bewegungseinschränkungen
  • psychische Unfallfolgen (PTBS)

 

Statistische Werte

Verletzungsart

Durchschnittliches Schmerzensgeld (€)

Häufigkeit bei Verkehrsunfällen (%)

HWS-Schleudertrauma

1 500 – 4 000

35

Fraktur Arm/Bein

5 000 – 20 000

28

Schädel-Hirn-Trauma

15 000 – 80 000

12

Dauerhafte Behinderung

50 000 – 500 000

8

Psychische Folgeschäden

5 000 – 30 000

17

 

Gerichtsfälle

  1. OLG Celle, Urteil vom 15.03.2022, Az. 14 U 187/21

     Motorradfahrer erlitt nach Vorfahrtsverstoß eines PKW-Fahrers eine offene Oberschenkelfraktur und dauerhafte Gehbehinderung.

     Zugesprochenes Schmerzensgeld: 120 000 €.
  2. LG Düsseldorf, Urteil vom 07.11.2019, Az. 4 O 159/18

     Fußgänger wurde auf Zebrastreifen von PKW erfasst, erlittenes Schädel-Hirn-Trauma mit epileptischen Anfällen.

     Zugesprochenes Schmerzensgeld: 85 000 €.

 

Besonderheiten für Personen ab 45

  • Häufig längere Heilungsdauer nach Knochenbrüchen
  • Größere Gefahr bleibender Bewegungseinschränkungen
  • Höheres Risiko für chronische Schmerzen (z. B. posttraumatisches Schmerzsyndrom)
  • Oft stärkere Einschränkung der beruflichen Einsatzfähigkeit

 

Arbeits- und Betriebsunfälle

Allgemeines

Arbeitsunfälle sind ebenfalls eine zentrale Schmerzensgeldquelle.

Nach Daten der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) gab es 2023 über 870 000 meldepflichtige Arbeitsunfälle, davon mehr als 12 000 mit schweren Verletzungen.

 

Typische Ursachen

  • Stürze von Leitern oder Gerüsten
  • Quetschungen durch Maschinen
  • Stromunfälle
  • Chemikalienunfälle
  • Unzureichende Sicherheitsvorkehrungen

 

Gerichtsfälle

  1. OLG Hamm, Urteil vom 12.05.2020, Az. 9 U 101/19

     Bauarbeiter stürzte wegen fehlender Absturzsicherung 6 Meter in die Tiefe, erlittene Querschnittslähmung.

     Schmerzensgeld: 600 000 €.
  2. LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 18.02.2019, Az. 12 O 1437/18

     Mechaniker zog sich bei Explosion in Werkstatt schwere Brandverletzungen zu (30 % der Körperoberfläche).

     Schmerzensgeld: 90 000 €.

 

Besonderheiten

  • Bei Arbeitsunfällen greift oft die gesetzliche Unfallversicherung – aber Schmerzensgeld kann nur bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verursachung durch einen Dritten verlangt werden.
  • Anspruch kann bestehen gegen:

    • Hersteller fehlerhafter Maschinen
    • Fremdfirmen
    • Arbeitgeber bei Vorsatz

 

Medizinische Behandlungsfehler

Allgemeines

Etwa 10 000 Patienten pro Jahr stellen in Deutschland einen Antrag auf Prüfung eines Behandlungsfehlers bei den Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern.

 

Typische Fälle

  • Falsche Diagnose
  • Operationsfehler
  • Vergessen von OP-Material im Körper
  • Fehldosierung von Medikamenten
  • Unterlassene Aufklärung vor Eingriffen

 

Gerichtsfälle

  1. OLG München, Urteil vom 03.07.2021, Az. 1 U 2893/20

     Patientin verlor nach OP an Gehirntumor aufgrund von Behandlungsfehler das Sehvermögen auf einem Auge.

     Schmerzensgeld: 80 000 €.
  2. LG Berlin, Urteil vom 11.12.2018, Az. 6 O 183/17

     Fehlerhafte Narkose führte zu bleibendem Hirnschaden.

     Schmerzensgeld: 500 000 €.

 

Körperverletzungen durch Gewalt

Allgemeines

Schmerzensgeld kann auch bei vorsätzlichen Straftaten wie Körperverletzung oder sexuellen Übergriffen verlangt werden.

 

Gerichtsfälle

  1. LG Dortmund, Urteil vom 14.06.2020, Az. 2 O 221/19

     Opfer einer schweren Prügelei erlitt Kieferbruch und dauerhafte Zahnimplantate.

     Schmerzensgeld: 12 000 €.
  2. LG Leipzig, Urteil vom 05.04.2019, Az. 5 O 362/18

     Opfer sexueller Nötigung erhielt

     Schmerzensgeld: 25 000 €, zusätzlich Schmerzensgeldrente.

 

Besonderheiten

  • Oft Kombination aus Strafverfahren und Zivilverfahren
  • Staatliche Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) möglich
  • Für ältere Opfer: besondere Berücksichtigung psychischer Folgen und Verlust sozialer Sicherheit

Beweise und Dokumentation

In der Praxis steht und fällt der Erfolg eines Schmerzensgeldanspruchs mit der Beweislage.

Selbst eindeutig erlittene Verletzungen führen nicht automatisch zu einer Zahlung, wenn es an lückenlosen, überzeugenden Beweisen fehlt.

 

Grundprinzip: Wer etwas behauptet, muss es beweisen

Nach der deutschen Zivilprozessordnung (§ 286 ZPO) gilt der Grundsatz:

„Die Partei, die sich auf eine Tatsache beruft, trägt die Beweislast.“

Das bedeutet: Der Verletzte muss nachweisen,

  • dass er verletzt wurde,
  • wie die Verletzung entstanden ist,
  • dass der Beklagte dafür verantwortlich ist,
  • und welche Folgen die Verletzung hat.

 

Wichtige Beweismittel

Medizinische Unterlagen

  • Krankenhausberichte
  • OP-Protokolle
  • Röntgen-, MRT- und CT-Bilder
  • Atteste von Fachärzten
  • Reha-Berichte

Tipp: Es sollte von Beginn an eine chronologische Akte geführt werden, in der jede Behandlung und Untersuchung dokumentiert wird.

 

Fotodokumentation

Fotos sind oft das überzeugendste Beweismittel, weil sie visuell und unmittelbar wirken.

Empfohlen wird:

  • Direkte Fotos der Verletzungen kurz nach dem Ereignis
  • Fortlaufende Dokumentation des Heilungsverlaufs
  • Vergleichsbilder vor und nach dem Ereignis (falls vorhanden)

 

Zeugen

Zeugen können Unfallhergang oder Verletzungsfolgen bestätigen.

  • Augenzeugen des Vorfalls (z. B. Passanten, Kollegen)
  • Zeugen aus dem persönlichen Umfeld, die den Alltag vor und nach dem Unfall kennen
  • Medizinische Zeugen (Ärzte, Pflegepersonal)

 

Schriftverkehr

  • Korrespondenz mit der Versicherung
  • Schriftwechsel mit dem Schädiger oder dessen Anwalt
  • Interne Unfallberichte (bei Arbeitsunfällen)
  • Polizeiprotokolle

 

Beweisstrategien vor Gericht

  1. Vollständigkeit – Kein Detail weglassen, auch wenn es nebensächlich erscheint.
  2. Kohärenz – Alle Aussagen und Unterlagen müssen zueinander passen.
  3. Glaubwürdigkeit – Widersprüche vermeiden, realistische Darstellung des Leidens.
  4. Gutachten – In vielen Fällen ist ein medizinisches Sachverständigengutachten entscheidend.

 

Besonderheiten bei psychischen Schäden

Psychische Verletzungen sind schwerer nachzuweisen, erfordern aber eine ebenso klare Beweislage.

  • Diagnose durch Facharzt für Psychiatrie oder Psychotherapie
  • Dokumentierte Therapiesitzungen
  • Beschreibung konkreter Einschränkungen im Alltag (Tagebuchmethode)

 

Für Personen ab 45 Jahren

Bei älteren Geschädigten ist die Dokumentation besonders wichtig, um zu belegen:

  • wie die Verletzung bestehende Vorerkrankungen verschlimmert hat,
  • wie sich der Genesungsverlauf verlängert hat,
  • wie der Verlust von Hobbys, sozialer Teilhabe und Arbeitsfähigkeit wirkt.

 

Abschließende Hinweise und Fazit

Ein Anspruch auf Schmerzensgeld ist mehr als nur eine Geldforderung – er ist die rechtliche Anerkennung des erlittenen Leids. Die Höhe hängt von vielen Faktoren ab: der Schwere der Verletzung, der Dauer der Beeinträchtigung, den psychischen Folgen, dem Alter des Betroffenen und der Beweisführung.

Kernaussagen aus diesem Leitfaden:

  • Rechtliche Grundlage: § 253 Abs. 2 BGB.
  • Voraussetzungen: immaterieller Schaden, Kausalität, Rechtswidrigkeit, Verschulden.
  • Berechnung: individuell, aber orientiert an Tabellen, Tagessatzmethode und vergleichbaren Fällen.
  • Fallgruppen: Verkehrsunfälle, Arbeitsunfälle, Behandlungsfehler, Gewaltverbrechen.
  • Beweise: medizinische Unterlagen, Fotos, Zeugen, Schriftverkehr, Gutachten.

 

Rolle von spezialisierten Kanzleien

Gerade bei schweren oder komplexen Verletzungen ist die Unterstützung durch eine erfahrene Kanzlei entscheidend.

Professionelle Vertretung bedeutet:

  • präzise Bewertung des Falls,
  • sichere Beweissicherung,
  • realistische Einschätzung der Schmerzensgeldhöhe,
  • Durchsetzung der Ansprüche in Verhandlungen oder vor Gericht.

 

Abschließende Botschaft

Das deutsche Schmerzensgeldrecht bietet Geschädigten einen wichtigen Schutz. Doch es erfordert Geduld, gründliche Vorbereitung und eine konsequente Strategie. Wer diese drei Elemente beachtet – und von Beginn an sauber dokumentiert –, hat deutlich höhere Chancen, die maximal mögliche Entschädigung zu erhalten.

Für Menschen ab 45 Jahren ist dies besonders bedeutsam, da hier die langfristigen Folgen eines Unfalls oder Fehlers oft tiefer ins Leben eingreifen.

Schmerzensgeld ist in diesem Sinne nicht nur ein finanzieller Ausgleich – es ist auch ein Schritt zur Wiederherstellung von Gerechtigkeit.

Häufig gestellte Fragen – Aufnahmeswis.com

Wie viel Entschädigung könnte ich nach einem Unfall erhalten?

Die Höhe der Entschädigung hängt von mehreren Faktoren ab, darunter die Schwere der Verletzungen, die Dauer der Auswirkungen und Ihre persönlichen Umstände. Es gibt keinen festen Betrag, doch Gerichte orientieren sich oft an früheren Urteilen in vergleichbaren Fällen. Bei Aufnahmeswis.com können unsere juristischen Partner Ihre individuelle Situation prüfen und Ihnen eine klare, realistische Einschätzung auf Basis der Fakten geben.

Wer hat Anspruch auf Schmerzensgeld?

Jede Person – ob jünger oder über 45 Jahre alt – die bei einem Unfall, der ganz oder teilweise durch eine andere Person verursacht wurde, körperlichen oder psychischen Schaden erlitten hat, kann eine Entschädigung verlangen. Dies gilt für Verkehrsunfälle, Arbeitsunfälle und sogar für Verletzungen, die bei Freizeitaktivitäten entstanden sind.

Welche Schritte sollte ich unmittelbar nach einem Unfall unternehmen?

Zunächst sollten Sie sich umgehend ärztlich untersuchen lassen und sicherstellen, dass jede Verletzung von einem Arzt ordnungsgemäß dokumentiert wird. Bewahren Sie alle relevanten Beweise auf, wie offizielle Unfallberichte, Zeugenaussagen und Fotos vom Unfallort. Je früher Sie einen Anwalt hinzuziehen, desto besser können Sie Ihr Recht auf eine faire Entschädigung wahren.

Kann ich auch entschädigt werden, wenn ich teilweise schuld war?

Ja. Selbst wenn Sie eine Mitschuld tragen, können Sie unter Umständen dennoch eine Zahlung erhalten. Allerdings kann der Gesamtbetrag entsprechend Ihrem Anteil an der Schuld angepasst werden.

Wie lange habe ich Zeit, um einen Anspruch geltend zu machen?

Nach deutschem Recht haben Sie in den meisten Fällen bis zu drei Jahre ab dem Ende des Jahres, in dem sich der Unfall ereignet hat – und in dem Sie sowohl den Schaden als auch die verantwortliche Person erkannt haben –, um Ihren Anspruch einzureichen. Für Personen ab 45 Jahren ist eine schnelle rechtliche Beratung besonders wichtig, um Fristen nicht zu versäumen und den bestmöglichen Fall aufzubauen.

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Elisa Chiappetta

Rechtsanwältin
Spezialistin für Medizin- und Familienrecht

Marco Schneider

Rechtsanwalt
Spezialist für Medizinrecht, Arzthaftungsrecht und Personenschäden